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sprechen. Die Schönheit dieser Pflanzenbehausungen ist stets den Fort- und Rückschritten der Kunst gefolgt. Wer kann heute ohne Entsehen durch einen antiken Garten wandeln, wo Buxbaum- und Weißdornhecken oft Buchstaben, Schriftzeichen oder gar Menschen und Tiere darstellen; wo die Blumenbeete wie Fleischklöße in einem Tiegel aussehen und alles wie mit Hobel und Zirkel bearbeitet scheint; wo die Bäume gestugt sind und vom Gärtner wie auf ein symmetrisches Linienblatt gestellt scheinen.

Heute finden sich solche Gärten glücklicherweise nur noch bei wenigen alten Schlössern großer Herren und werden nur als exzentrische Ausgeburten eines barocken Geschmacks angestaunt. In jenen Gärten durften sich die Damen im Reifrock und die Edelherren mit Zopf und Perrücke mit Wonne ergehen. Der Puder, der von diesen Windköpfen abstäubte, war würdig jener Blumenbeete, jener Labyrinthe, jener grotesken Statuen mit analogen Inschriften; würdig all jener Narrheiten des 17. Jahrhunderts, worunter die armen, unschuldigen Pflanzen jener Zeit zu leiden hatten.

Etwas hübscher schon als jene Gärten sind diejenigen Chinas und Japans, wo zwerghafte Bäume an kleinen gewundenen Wegen, sowie Nachbildungen von Menschen, Vögeln und Vierfüßlern eine kindische Posse darstellen, welche auf Würde keinen Anspruch erhebt und uns nur lachen macht wie jede gelungene Karrikatur.

Die Gärten des siebzehnten und achtzehnten

Jahrhunderts sind heutzutage überwunden, und die Gärten des äußersten Orients verstehen wir nicht nachzuahmen; dagegen haben wir uns einer sinnvollen und künstlerischen Wiedergabe der Natur genähert. Diese Gärten heißen jezt noch englische Gärten; aber bald werden sie die Gärten der ganzen Welt sein. Neue Künstler werden erstehen, die neue ästhetische Kombinationen in der Behandlung der Bäume und Blumen, in der Harmonie der Wege und Beete, des Wassers und der Erde finden werden.

Die Beschaffenheit des Terrains, ob eben oder hügelig, der Mangel oder der Überfluß an Wasser, vor allem die Verschiedenheit des Klimas, die nur einer gegebenen Gruppe von Pflanzen erfolgreiches Gedeihen gewährt: all dieses sind unerbittliche Bedingungen, mit denen der Gartenkünstler zu rechnen hat. Er muß, indem er diese Umstände berücksichtigt, daraus den größtmöglichen Nußen ziehen, um unser Auge mit einer Reihe immer schöner, aber immer abwechselnder Bilder zu erfreuen.

Ich bin weder Architekt, noch Feldmesser, aber seit meiner Kindheit ein leidenschaftlicher Freund der Pflanzen und Blumen, und wenn ich Geld genug besäße, um mir einen Garten nach meinem Geschmack anzulegen, so müßte es in einer der Küste von Genua benachbarten Gegend sein, wo das Wasser so reichlich vorhanden wäre, daß ich mir den Luxus von Kaskaden, Teichen und Bächen gestatten könnte, und wo mir die schreckliche Provenza" nicht ein

Mantegazza, Physiologie des Schönen II.

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oder zweimal jährlich meine grünen Zöglinge verbrennte.

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Dann würde ich einen Gartenkünstler rufen und ihm sagen: Thun Sie, was Sie wollen und wie Sie wollen, aber verlegen Sie nicht folgende Regeln, die ich für würdig halte, zu Dogmen der Gartenkunst erhoben zu werden." Hier sind sie:

Die Mauern, die den Garten umschließen, müssen so viel wie möglich verdeckt werden, damit man sich nicht in einem Gefängnisse zu befinden glaubt.

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In kleinem Raume soll die größte Fülle von Baumpflanzen der verschiedensten Gattungen ver- · einigt sein.

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Jeder Garten, der einen Anspruch auf wirklichen Wert erhebt, muß uns die elementaren Bilder der natürlichen Landschaft bieten: den Wald, den Busch, das Gesträuch, die Wiese, den Bach, die Quelle und den See.

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Wohin wir auch den Blick wenden, muß sich ein weiter Horizont aufthun oder wenigstens aufzuthun scheinen.

Die graden Wege müssen möglichst vermieden werden; durch häufige und kühne Biegungen ist die Beschränkung des Raumes zu verbergen.

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Mit höchster Kunst müssen die sympatischten Zusammenstellungen des verschiedenen Grüns studiert werden, indem man auch hie und da einen Baum mit weißem oder rotem Laub anbringt. Für keine Jahreszeit fehle das Grün, für feinen Tag fehle die Blume!

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Auch befinde sich im Garten ein Winkel, wo klassische Ruinen aus alter Zeit und Säulen oder Statuen uns von der hohen griechischen Symmetrie erzählen; allein diese Schönheiten müssen überwuchert sein von Epheu und andern Kletterpflanzen, wie unterdrückt von der Invasion der wirren Gewächse, um zu zeigen, daß die erhabenste Kunst nur die arme und bescheidene Dienerin der Natur ist.

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Auch in dem symmetrischten Vlumenbeete herrsche keine regelmäßige Bepflanzung, sondern die Ordnung der Unregelmäßigkeit.

An gewissen Stellen muß man glauben, sich verirren zu können, ohne daß es das klassische Labyrinth von Versailles oder Desio sei, und an andern Stellen scheine es, als ob die Natur selber die Hand des Menschen besiegt und unterdrückt habe.

Vor allen andern Dingen aber sei die Kunst so versteckt, daß man sie nicht im geringsten zu

entdecken vermag, und Bäume, Blumen, Wege müssen wie zufällige Kombinationen jenes größten Genius: der Natur, erscheinen.

Als man entging dem dumpfigen Bereiche
Verworrner Gaffen, that sich auf ein Garten:
Krystallne Bäche, regungslose Teiche,

Der Bäume, Blumen, Kräuter bunte Arten,
Besonnte Hügel, Thäler, schattenreiche,

Und Grotten auch dem Blick sich offenbarten;
Doch stimmte all dies Schöne gut zum Werke,
Daß man die Kunst, die alles schuf, nicht merke.
Torquato Tasso.

Und unter einem Himmel licht und klar,
That sich mir auf ein Garten reizumwebt,

Ein Eden, wo das erste Menschenpaar
In froher Unschuld eines Tags gelebt.

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