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mus und auf dessen Leichnam der spröden Imogen Gewalt anthun will.

A. 4. Sc. 1. Dieselbe Eigenthümlichkeit charakterisirt auch den von Cloten vor der Höhle des Belarius gesprochenen prosaischen Monolog.

A. 5. Sc. 4. Der Dichter hat die Figur des Gefangenwärters mit einem gewissen Teufelshumor ausgestattet, und dessen prosaische Redeweise in dem Dialog mit seinem Gefangenen Posthumus erhebt sich bei aller Derbheit und Scurrilität durch allerlei tiefsinnige Aperçus doch über die Sphäre der gewöhnlichen Clownsprache. Posthumus geht denn auch bereitwillig auf den ihm sonst fremden Gebrauch der Prosa einmal ein.

Bonn, im December 1869.

Jahrbuch V.

18

Prolog und Epilog bei Shakespeare.

Von

Ferdinand Lüders.

In der Geschichte des modernen Dramas begegnen wir den frühesten Spuren von Prolog und Epilog in den geistlichen Schauspielen des Mittelalters. Wie diese Schauspiele zwar aus ähnlichen religiösen Elementen wie die klassische Tragödie, doch sonst ohne irgendwelche formale Einwirkung des Alterthums aus dem Boden des Volkslebens natürlich erwachsen sind, so haben sich auch die ihnen beigegebenen Vor- und Nachreden durchaus frei und selbstständig aus dem kindlichen Bedürfniss der Masse heraus entwickelt. Die naiven, ohne Ahnung von Kunstprincipien durch Neugier auf Andacht, durch Lehre auf Besserung abzielenden Mirakelspiele und Moralitäten des Mittelalters bedürfen einer äusseren Handhabe, um die barbarischen Alltagsseelen ihres christlichen Publikums heranzuziehen, sie aus der gemeinen Wirklichkeit emporzuheben in das Reich des Schauens, sie mahnend darin festzuhalten und schliesslich wieder zurückzugeleiten in die rauhe Prosa des Lebens. Das geschieht denn oft genug in der unbeholfensten Weise. Ein Herold, technisch praeco, praecursor oder proclamator genannt, leitet in der Regel als „Prologus“ das Spiel im Predigtton ein und stellt jede einzelne Person, je nachdem sie in das Spiel eintritt (oder auch im Beginn alle insgesammt) den Zuschauern vor. ,,Auch im weiteren Verlauf führt er mit blosser Erzählung die Handlung da fort, wo man sich nicht getraut hat, sie als gegenwärtig vorstellen zu lassen. Nicht selten erscheint er als Engel, oder auch der heil. Augustinus hat die Rolle eines Theaterdirectors erhalten. Zu seinen Geschäften

gehörte, die Zuschauer fleissig zum Schweigen zu ermahnen: silete!" 1) Derselbe Herold sprach dann auch die Schlussrede.

Aehnlich wie bei den geistlichen Schauspielen verhielt sich die Sache bei den Fastnachtspielen. Ein sogenannter,,Einschreier" (proclamator), in vornehmeren Stücken „Herold" genannt, bittet regelmässig den Wirth und die anwesende Gesellschaft um gnädige Erlaubniss, das Spiel beginnen zu dürfen, sowie um Gunst für die schwache Leistung (,,habt unsern Schimpf vergut"). Derselbe tritt am Ende des Stückes wieder als Ausschreier" (exclamator, oder auch „Einschreier", beides wird neben und durcheinander gebraucht) hervor, dankt für gehabte gütige Nachsicht und bittet für etwa vorgekommene Derbheiten um Entschuldigung. In einzelnen Stücken (z. B. von dem Nürnberger Hans Folz) tritt der ,,Tichter" selbst als Ausschreier auf und prologiert in erster Person. Die stehenden Ueberschriften: „Der Herold spricht",.,,der Ausschreier spricht", „Precursor", „Ausschreier", „der letzt Herold spricht" oder „beschleusst" u. ä. kehren in allen Fastnachtspielen wieder. So ist die Sache im Wesentlichen noch bei Hans Sachs und seinen Zeitgenossen. Ein Ehrenhold" (ernhold entstellt aus herold),,tritt auf, neigt sich und spricht" in klappernden Reimen zur Einleitung oder zum Beschluss ein paar ehrbare Worte voll altklug ausgesponnener Naivetät. Es bedarf keiner weiteren Beispiele.

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Gerade wie in Deutschland entwickeln sich die Functionen von Prolog und Epilog in England: das lehrt uns ein Blick in die dortigen Miracle- und Moral-Plays. Das kunstlose. Schauspiel des Mittelalters kann nirgends, zu Anfang so wenig wie zu Ende, eines vermittelnden Wortes entrathen, und selbst wo in unserer literarischen Ueberlieferung ein solches fehlt, können wir doch sicher sein, dass einige, seien es stehende, seien es dem jedesmaligen Falle angemessene Redensarten der Vorstellung vorangingen und nachfolgten. Von dieser Gattung ist uns z. B. noch der Generalprolog erhalten, welcher jedesmal vor Aufführung der Spiele zu Chester (24 Abtheilungen umfassend) verlesen wurde, unter dem Titel „,the Banes", d. h. Aufforderung, Bekanntmachung.) In mehreren Stücken der Chester

1) K. Hase, Das geistliche Schauspiel, Leipzig 1858, S. 38 f. u. sonst. 2) Will. Marriott, A Collection of English Miracle-Plays or Mysteries etc. Basel 1838, in der einleitenden historischen Uebersicht p. XXXIX:

Reverende lordes and ladyes all,

That at this time here assembled bee,

By this message understand you shall

That some time there was mayor of this citie etc.

und der Coventry-Sammlung kommt ein Expositor oder Doctor vor, welcher den Prolog oder auch den weiteren Verlauf der Handlung erläuternde Worte zu sprechen hat. In einem derselben dem Prozess Maria's und Joseph's tritt epilogirend die allegorische Figur der Contemplation auf und schliesst das Stück mit einer Citation einer Reihe von anwesenden Persönlichkeiten vor den Richterstuhl des Bischofs.') Mitunter sprachen auch Einzelne der Mitwirkenden zur Einleitung hölzern erbauliche Worte, so z. B. Gott, Isai, Pilatus, welcher Letztere damit beginnt, in seiner amtlichen Eigenschaft als Landpfleger der unruhigen Masse Schweigen (Peace!) zu gebieten.')

Die späteren, schon mehr regelrechten geistlichen Spiele des sechszehnten Jahrhunderts beginnen mehrfach mit einem auch in der Form regelrechteren Prolog: so das Stück Candlemas-Day or the Killing of the Children of Israel (1512) mit einem ausführlichen Vorwort des Poëta (John Parfre), welcher dann auch die Schlussrede an's Publikum richtet. In der Tragödie God's Promises, von John Bale, späterem protestantischem Bischof von Ossory in Irland, verfasst (1538), tritt ebenfalls der Dichter selbst als Vorredner, Baleus Prolocutor, auf, um in derselben Eigenschaft auch das Schlusswort zu sprechen.3) Auf diese mehr correcte Anwendung des ausserhalb der Handlung stehenden, vom Dichter oder doch in dessen Namen gesprochenen Pro- und Epilogs scheint das Vorbild des klassischen Dramas, namentlich des bis dahin in gelehrten Kreisen bekannt und beliebt gewordenen Terenz, von bestimmendem Einfluss gewesen zu sein.

In dieser Weise vom eigentlichen Schauspiel, auch dem Darsteller nach, abgetrennt scheint Prolog sowohl wie Epilog während des ganzen Jahrhunderts als nothwendiges Requisit der Bühne angesehen und in tragischen wie komischen Spielen verwendet worden zu sein. So finden wir denn auch beide in den komischen Zwischenspielen (Interludes) von John Heywood, einer Art von englischem Hans Sachs, Spinettspieler und Schwänkefabrikanten am Hofe Heinrich's des Achten.') Seit der ersten regelmässigen Tragödie, dem Gorboduc oder Ferrex and Porrex (1561), welche sich den Vor

1) A. a. O. p. LVIII: Avoyd, Sers, and let my lorde the Byshop come etc.
2) A. a. O. S. 137.

3) A. a. O. S. 199 u. 223.

Have I

*) Aus John Heywood's Interlude Four Prentices: Do you not know that I am the prologue? Do you not see this long black velvet coat upon my back? not all the signs of a prologue about me? Have you not sounded thrice? Der

bildern eines Euripides und Seneca anschliesst, kommt für Pro- und Epilog sowohl wie für etwa begleitende Zwischenreden der antike Name Chorus auf, daher entnommen, dass in diesen älteren Tragödien, z. B. in Gascoigne's Jocasta (1568), in Tancred und Gismonda u. ä., der Wortführer des Chores zugleich als Vor- und Schlussredner fungirt. Wenn nun aber später der Ausdruck Chorus auch 7 für den Prolog allein gebraucht wird, so ist beides doch nicht völlig identisch: der Prologue ersucht, jede die Handlung weiterhin begleitende Explication ausschliessend, nach Angabe des Inhalts um geneigte Aufnahme des Stückes, während der Chorus den stets bereiten oder doch im Hintergrunde stehenden moralisirenden Erklärer bedeutet.1)

Der Darsteller des Prologs bei Shakespeare und dessen Zeitgenossen machte sich den Zuschauern schon durch gewisse äussere Kennzeichen bemerkbar. Er ward durch einen dreimaligen Trompetenstoss angekündigt, trat in langem schwarzen Sammetmantel auf,,,mit kleinem Bart, steifem Gesichte und gelenkigem Knie," 2) und sprach in der Regel auch das Schlusswort. Obschon seine Verwendung gegen Ende des sechszehnten Jahrhunderts bei der schwunghaften dramatischen Production der Elisabeth- Periode mehr und mehr in Abnahme gekommen zu sein scheint, so haben wir doch schwerlich überall da, wo in den uns überlieferten Drucken der Stücke Prolog oder Epilog fehlen, daraus zu schliessen, dass nun auch bei der Aufführung Dichter oder Schauspieler auf dieselben verzichtet haben werden. Im Gegentheil, gar manches Voroder Nachwort wird, je nach Bedarf und Umständen, bei der Darstellung als gern gebotene und dankbar aufgenommene Zugabe sich eingefunden haben. Das geht schon neben manchen anderen Anzeichen aus der ziemlich häufigen Anführung des Prologs in Gleich

Sohn dieses John Heywood, Jasper H., gab eine freie Uebersetzung der Tragödien des Seneca heraus.

1) Prolog zu Shakespeare's Henry V., letzte Zeile vor Act I: Admit me chorus to this history; Who, prologue-like, your humble patience pray, Gently to hear, kindly to judge our play. Vergl. Hamlet III, 2: Ophelia. You are as good as a chorus. Hamlet. I could interpret between you and your love.

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2) Vergl. Anmerkung 4 (S. 276) und Ben Jonson Prol. to the Coronation: he That with a little beard, a long black cloak, With a starch'd face and supple leg hath spoke Before the plays this twelvemonth. Fernere Citate bei Nares Glossary v. Trumpet: he is the common attendant of glittering folks, whether in the court or stage, where he is always the prologue's prologue. Present not yourself on the stage, until the quaking prologue is ready to give the trumpets their cue, that he is upon point to enter.

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