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mehrfach Schaustellungen und Maskenspiele (shows pageants masks) in seine Stücke eingeführt, wo denn auch mehrfach eines Vorredners Erwähnung geschieht, der das Kommende zu melden hat. So im Timon von Athen (I, 2), wo Cupido als Vorläufer (fore-runner) der personificirten fünf Sinne auftritt mit einer begrüssenden Anrede an den Hausherrn, den er um Erlaubniss bittet für den Eintritt der als Amazonen costümirten Ladies, welche darauf mit Lauten in den Händen vor Wirth und Gästen ihre Tänze aufführen. Man sieht, es sind in englischer Renaissance die antiken Hetären, gerade wie im Hause des Phyllidas zu Theben, nur ohne Mordgedanken.

In Vergleich mit diesem prologirenden Cupido beachte man die Stelle in Romeo und Julia (I, 4), wo Benvolio auf Romeo's Anfrage beides, Cupido und Prolog, für ihren Maskenscherz bei Capulet's abweist mit den Worten: „Umschweife solcher Art sind nicht mehr Sitte." 1)

Zu derselben Gattung stellen sich die Maskenscherze in Verlorner Liebes mühe (V, 1); wo der Witz der Situation darin besteht, den Sprecher des Prologs, Armado's Pagen Motte, durch Unterbrechungen aus dem Concept zu bringen. Ein Trompetenstoss kündigt auch hier den Prolog an: König und Gefolge erscheinen maskirt in russischer Tracht, mit gelbseidenen Mänteln, Pelzmützen, Beilen in der Hand und Schnabelschuhen. Der Page beginnt seine schwülstige Anrede:

Heil euch, ihr Schönheitsreichsten dieser Erde,

Du heiligster Verein holdsel'ger Damen

wird aber schon nach fünf Zeilen aus dem Text gebracht. Weiterhin, in demselben langen Auftritt, wird auf Veranstalten Armado's das als städtischer Festaufzug in London damals übliche Schauspiel von den neun Helden (Worthies 2. H. IV. II, 4) der Gesellschaft vorgeführt, zwar ohne eigentlichen Prolog, doch in der zu Eingang

1) Romeo and Juliet I, 4:

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Ben. The date is out of such prolixity:

We'll have no Cupid hoodwink'd with a scarf,
Bearing a Tartar's painted bow of lath,

Scaring the ladies like a crow-keeper;

Nor no without-book prologue, faintly spoke

After the prompter, for our entrance.

But let them measure us by what they will;

We'll measure them a measure, and be gone.

Die Worte sagen dasselbe in positiver Kritik, was in den anderen oben besprochenen Stellen ironisch illustrirt wird.

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unseres Aufsatzes berührten Fassung, dass jeder der auftretenden Helden sich selbst mit angemessenen Worten introducirt. Das Schauspiel gedeiht so bis zum fünften Helden Pompejus, Alexander, Judas, d. h. Makkabäus, Herkules, Hektor in seltsamer Reihenfolge bis es denn auch hier durch störendes Dreinreden in seinem weiteren Verlaufe unterbrochen wird. Das ganze Stück (L. L. L.) schliesst mit einem burlesk - lyrischen Zwiegespräch zwischen Frühling und Winter, welches nach Armado's Worten eigentlich zum Schlussstück (Epilog) des 'Pageant of the nine Worthies' bestimmt gewesen war. Insofern die Bitte um Beifall fehlt, ist dieses Schlussstück mehr als komisches Finale denn als Epilog zu bezeichnen.

Wir müssen an den Sommernachtstraum noch einmal anknüpfen. Theseus, der Herr vom Hause, vor dessen Augen Pyramus und seine Liebe ihr hochtragisches Ende gefunden, lehnt den ihm angebotenen Epilog der Handwerker mit den Worten ab: ein redlich Spiel bedürfe keiner Entschuldigung. Denn das ist zu allen Zeiten der eigentliche Endzweck aller Schlussreden auf der Bühne gewesen: für etwaige Mängel Nachsicht zu erbitten. So auch bei Shakespeare in den fünf Fällen, wo uns vereinzelte Epiloge ohne die entsprechenden Prologe erhalten sind. Im Sommernachtstraum spricht Puck als Favoritelfe in 16 vierfüssigen Reimzeilen das Schlusswort; launig an die vorgezauberte Traumwelt erinnernd, bittet er die Zuschauer um Nachsicht und Beifall, unter dem üblichen Versprechen: nächstes Mal besser.

Auch der Sturm schliesst mit einem Epilog des Prospero in zwanzig Zeilen desselben recitativen Versmaasses, in welchem er das Ersuchen ausspricht, durch tapferes Händeklatschen ihn aus dem Zauberbann zu lösen, durch Bravorufe ihm für die Fahrt nach Neapel die Segel zu schwellen, durch hülfreiche Fürbitte den abgedankten Schwarzkünstler vor der Verzweiflung zu retten. Mit solch zärtlich dringlicher Anrede werden, gerade wie im Sommernachtstraum, zugleich die Zuschauer aus der phantastischen Welt des geschaueten Spiels in die Wirklichkeit des menschlichen Lebens wieder entlassen.

Mit einer kurzen captatio benevolentiae, sechs fünffüssigen Reimzeilen, schliesst auch das Lustspiel Ende gut, Alles gut, gesprochen vom König von Frankreich: gut sei das Ende, wenn das Stück eine gute Aufnahme fände. In Wie es Euch gefällt hält die Schauspielerin der Hauptrolle, bei Shakespeare freilich

Jahrbuch V.

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ein schlanker Jüngling - Rosalinde, die humoristische Schlussrede, in welcher der Dichter geradezu damit beginnt, es sei nicht mehr Mode „Fräulein von Epilog" zu sehen, obwohl „Herr von Prolog" noch als statthaft gelte. „Ein gutes Stück braucht keinen Epilog," - so heisst's auch hier, doch mit der Einschränkung, dass ein guter Epilog ein gutes Stück verbessere. Wir haben hierin Shakespeare's wahrhafte Meinung zu erkennen, die alles bloss Herkömmliche, die Philistrositäten der Bühne, verurtheilt. Und nun werden die Frauen und die Männer bei ihrer gegenseitigen Liebe zu einander beschworen, dass ihnen das Schauspiel gefallen haben möge. Wäre Rosalinde ein Weib, sie würde den Männern auf halbem Wege entgegenkommen; um dieses hypothetischen Anerbietens halber hofft sie, gegen die übliche Verbeugung, auf ein freundlich Lebewohl.

In Was Ihr wollt epilogirt der Narr in lyrischen Schlusscouplets, wie dergleichen im Lustspiel, nach Art des heutigen französischen Vaudeville, häufig vorgekommen sein mag. Solch eine Sololeistung, halb Witz halb Unsinn, von Trommel und Pfeife und possenhaften Capriolen begleitet, hiess und heisst auf dem englischen Theater ein Jig.')

Dürfen wir dieser Uebersicht sämmtlicher, ausserhalb der Handlung stehenden Vor- und Schlussreden bei Shakespeare einige allgemeine Bemerkungen hinzufügen, so steht in vorderster Reihe das Ergebniss, dass der Dichter vorwiegend im Lustspiel, zumal dem phantastischen, und ferner in den eingelegten Zwischenspielen vom Epilog Gebrauch macht, während Prolog und Chorus fast nur in einigen romantischen oder historischen Stücken erscheinen, wo sie als Handhabe für die Orientirung über Zeit und Ort verwendet werden. Die grosse Mehrzahl der Schauspiele höheren Stils verschmäht solcherlei Nothbehelf; zumal alle grossen Tragödien, deren intensiver Werth dem Briten die Unsterblichkeit sichert, ein Lear, ein Hamlet, ein Julius Cäsar, ein Macbeth, ein Othello,') sie alle führen ohne theatralisches Vorwort durch rasche Exposition sofort in medias res' und begnügen sich am Schlusse mit einem

1) Jig, eigentlich eine Art schottischer Cancan, steht ein paar Mal bei Shakespeare. Ha. II, 2: he is for a jig or a tale of bawdry; L. L. L. III, 1: to jig off a tune at the tongue's end; M. Ado II, 1: hot and hasty, like a Scotch jig, and full as fantastical.

2) Ueber die scheinbare Ausnahme bei Romeo und Julia vergl. das Seite 285, Anmerk. 2 Bemerkte.

ehrenden Nekrolog auf den Haupthelden aus dem Munde einer der edleren Nebenfiguren. Ein tändelndes 'Plaudite' nach so ergreifenden Vorgängen auf den Brettern, die in England schon im sechszehnten Jahrhundert die Welt bedeuteten, würde einen ebenso schneidenden Missklang gebracht haben, wie ein handwerksmässiges Animum attendite' zu Eingang. Shakespeare, wenn irgen deiner seiner dichtenden Zeitgenossen, sah es mit scharfem Auge, wie das ideale Trauerspiel für seine erhabenen Zwecke vollkommen ausreiche, und scheint deshalb allen störenden Apparat dort gern vermieden zu haben, wo nur eine tiefernste Sammlung bei theilnahmvollen Zuhörern ihn eine adäquate Wirkung hoffen liess.

König Heinrich VI.

In Ein Stück zusammengezogen und für die Bühne

bearbeitet.

Von

Wilhelm Oechelhäuser.

In einem Aufsatz im letzten Bande dieses Jahrbuchs, „Shakespeare auf dem Wiener Burgtheater," polemisirte ich gegen Laube's Bearbeitung Heinrich's IV. Wie aber schon damals bemerkt, missbillige ich dabei die von Laube vorgenommene Zusammenziehung beider Theile in Einen nicht im Prinzip, sondern nur in dem vorliegenden Fall, wo nämlich beide Theile so mit dem interessantesten Stoff erfüllt sind, dass die vorgenommenen Verkürzungen jeden Kenner des Originals auf's Tiefste schmerzen müssen und man bei der Vorführung sich an dem, was stehen geblieben ist, gar nicht mehr freuen kann, weil man stets an die schönen Stellen, die gestrichen sind, erinnert wird. Bei derselben Gelegenheit bemerkte ich auch schon, wie ich z. B. eine Zusammenziehung der 3 Theile Heinrich's VI. in Ein Stück vollkommen zulässig hielte. Briefliche Unterhaltungen über dies Thema mit dem Intendanten des Münchener Hoftheaters, Herrn Baron von Perfall, welcher sich überhaupt um den Shakespeare - Cultus in Deutschland grosse Verdienste erwirbt, liessen mich demnächst dieser Frage näher treten und eine Bearbeitung auf solcher Grundlage versuchen. Die Arbeit war sehr mühsam, weil ich dem Grundsatze treu blieb, Shakespeare nicht zu verändern oder zu verbessern, noch durch eigene Zuthaten zu ergänzen. Wie das Stück aber jetzt vor mir liegt, habe ich, soweit man über eigene Arbeiten zu urtheilen befähigt ist, die feste Ueber

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