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und Leichtigkeit zu bewegen wissen. Im Allgemeinen jedoch macht Heinrich VI. in dieser Bearbeitung extensiv wie intensiv keine grösseren Anforderungen an das Personal und die Leistungen einer Bühne, als die übrigen Historien und viele der grossen Tragödien unseres Dichters.

Die eigentliche Scenirung des Stückes ist höchst einfach; die genauen Bühnenweisungen, die der Bearbeitung beigefügt sind, bieten dafür genügende Anhaltepunkte. Nur die beiden Schlachten im vierten und fünften Akt erfordern grössere Sorgfalt. Damit die Gefechte und Scharmützel nicht lächerlich wirken, ist es am besten, dieselben möglichst in den Hintergrund zu verlegen und deren Anblick dem Publikum durch Versatzstücke oder dergl. theilweise zu entziehen. Auf das bald näher, bald entfernter hörbare Getöse (Schlachtmusik u. s. w.), welches auch während der Reden im Vordergrunde niemals ganz abbrechen darf, verwende man besondere Sorgfalt, die sich durch eine gesteigerte Wirkung reichlich belohnt; durch das Ohr kann überhaupt bei Schlachtenscenen mehr für die Illusion des Publikums gewirkt werden, als es durch das Auge möglich ist. Behufs scenischer Abwechselung schlage ich vor, in der zweiten Schlacht (fünfter Akt) Geschütze, durch Bogenschützen 1) gedeckt, zu verwenden, die am besten im Hintergrund auf eine Anhöhe postirt werden und deren Erstürmung dann die Lancaster'schen Truppen mehrmals vergeblich versuchen.

Die Trachten jener Zeit sind im Allgemeinen sehr kleidsam. Vielleicht könnte die ceremoniel!e Eingangsscene benutzt werden, bei den Hofcavalieren die lächerliche Mode jener Zeit vorzuführen, wonach die Schnäbel der Schuhe (crackowes) bis zu 2 Fuss hoch aufwärts gekrümmt und mit Kettchen an die Kniebänder (mitunter sogar an die Gürtel) befestigt waren. Eduard IV. erliess sogar ein Gesetz, welches die Länge der Schnäbel auf zwei Zoll beschränkte; dasselbe blieb jedoch gegen die Macht der Mode wirkungslos.

Die Wappen und Abzeichen der Lancasters und Yorks sind bekannt. Alle Führer müssen im vierten und fünften Akt die rothe resp. weisse Rose tragen. Die unterscheidenden Abzeichen der Prinzen von Geblüt dürfen nie fehlen.

Soweit meine Erläuterungen. Ueber den Werth oder Unwerth der Arbeit mag der Erfolg der Aufführung entscheiden. Jedenfalls 1) Die Bogenschützen im 15. Jahrhundert trugen eiserne Hauben und Kettenhemden, Brust und Rücken mit ledernen, eisenbeschlagenen Panzern bedeckt. Die Bogen hatten 4 bis 5 Fuss Länge. Die Pfeile wurden nicht in einem Köcher, sondern in einem Ring an der rechten Seite des Gürtels getragen.

dürfte hierdurch die Vorführung des ganzen Historiencyklus, der dann nur noch sechs Abende beansprucht, bedeutend erleichtert werden. Denn gegen die beiden höchst effektvollen Stücke Heinrich IV. 1. und 2. Theil fällt auf der Bühne das nachfolgende Stück, Heinrich V., ohnedies schon bedeutend ab; würden nun gar hierauf noch zwei oder gar drei langweilige Stücke (Heinrich VI.) folgen so wäre dies ein etwas bedenkliches Attentat auf die Geduld des Publikums.

Ueber die

Darstellung des Sommernachtstraums

auf der deutschen Bühne.

Von

Wilhelm Oechelhäuser.

Bei Gelegenheit einer Vorstandssitzung unserer Gesellschaft die am 12. October 1869 in Dessau abgehalten wurde, hatte der Intendant des dortigen Hoftheaters, Herr von Normann, die Aufmerksamkeit, den fremden Gästen den ,,Sommernachtstraum" vorzuführen. Die Dessauer Aufführungen dieses phantastischen Lustspiels gehören zu den besten, welche man auf der deutschen Bühne sehen kann; sie sind namentlich besser arrangirt als in Berlin und Dresden. Ganz besonders gilt dies auch von der so geschmackvollen als praktischen Scenirung des Zauberwaldes und der vorzüglich executirten Mendelsohn'schen Musik, während im Uebrigen sämmtliche Darsteller mit Lust und Liebe zum Gelingen des Ganzen beitrugen und dem Stück denjenigen Erfolg errangen, dessen es nach der bisherigen traditionellen Auffassung fähig ist.

Nach der bisherigen Auffassung!

Diese Frage beschäftigte uns nachher im engeren Kreise, und möchte ich die damals von mir ausgesprochenen Ansichten hier kurz niederlegen und der Prüfung sowohl der Kenner unseres Dichters, als der Leiter unserer Bühnen anheimgeben.

Der Leser fürchte dabei nicht, dass ich die Unzahl ästhetischer Abhandlungen, welche über den Sommernachtstraum geschrieben sind, noch um eine neue vermehren wolle. Ich hätte dazu umsoweniger Veranlassung, als meine eigenen Ansichten im Wesentlichen mit denen übereinstimmen, die Ulrici (Shakspeare's dramatische Kunst. 3. Aufl. Bd. II, S. 273 u. folgg.) aufgestellt hat.

Den Zweck gegenwärtiger Abhandlung könnte ich eigentlich dahin zusammenfassen: dass ich die Bühne veranlassen möchte, das Stück so zu geben, wie es jenen Auffassungen entspricht. Ich will also einen bestehenden Widerspruch zwischen der Bühnenübung und der ästhetischen Kritik zu lösen suchen, wie ich ihn bis jetzt insbesondere in der traditionellen Wiedergabe der Haupthandlung finde.

Seit Tieck in jener denkwürdigen, von Feodor Wehl in seinen Didaskalien so reizend beschriebenen ersten Darstellung im Neuen Palais zu Potsdam (am 14. October 1843) die bis dahin bestrittene Aufführbarkeit des Sommernachtstraums glänzend dargethan, hat sich dieses Lustspiel, meist auf Grundlage der Tieck'schen, daneben auch der Devrient'schen und Pabst'schen Einrichtung, fast auf allen deutschen Bühnen eingebürgert. Ich habe zahllose Darstellungen davon gesehen, bei denen sich mir aber mehr und mehr die Bemerkung aufdrängte, dass die Feerien der Waldscene, die Rüpelspässe und Mendelsohn's Musik die alleinigen Träger der Bühnenwirkung sind, dagegen die Haupthandlung, auf der sich das Stück aufbaut, die Scenen des Theseus und der Liebespaare, zu jenem Erfolg nicht bloss nichts beitragen, sondern denselben geradezu beeinträchtigen, indem sie sich wie Bleiklumpen an das scenische Dahinschreiten der duftigen Dichtung heften. Gewahrt man bei einem Shakespeare'schen Stück einen solchen ungleichartigen Eindruck, so thut man stets wohl daran, einiges Misstrauen in die Richtigkeit der geübten Auffassung zu setzen; denn unser Dichter war so durch und durch Bühnenkenner, dass ihm von einzelnen Erstlingswerken abgesehen - eine solche Ungleichartigkeit im Bau seiner Stücke und der darauf berechneten Wirkung wenigstens nicht so leicht unterlaufen konnte.

Lese ich jenen Wehl'schen Bericht aufmerksam durch, so will mir sogar scheinen, als ob schon Tieck die Haupthandlung anders, d. h. leichter, duftiger, scherzhafter aufgefasst sehen wollte, als sie sich nachher auf der Bühne festgesetzt hat. Die Bemerkung z. B., dass die Androhungen des Todes oder ewiger Jungfräulichkeit, welche der Vater und „Herzog“ Theseus an die schnippische Hermia verschwenden, nicht ernsthaft, sondern leicht und scherzend gesprochen werden müssten, führt streng genommen zu Consequenzen, welche die ganze bisherige Auffassung jener Scenen und Charaktere unhaltbar machen. Andererseits ist es mir aber auch aus der allgemeinen Stellung Tieck's zu Shakespeare's Dichtung leicht erklärlich, wie er in seinem romantischen Hange nicht bis zu der folgerechten Schärfe der Auffassung Ulrici's durchzudringen vermochte. Nach

diesem ist das Stück in allen seinen Theilen eine geistreiche Parodie der Hauptgebiete des menschlichen Lebens, und hierin gerade seine Eigenthümlichkeit vor anderen Lustspielen belegen. „In Theseus und Hippolyta," sagt Ulrici, erscheint offenbar die erhabene, heroische, welthistorische Seite des menschlichen Lebens repräsentirt. Statt sich aber in ihrer Grösse, Macht und Würde zu bethätigen, zeigt sie sich vielmehr aufgegangen in den gemeinen Alltagsakt einer Verheirathung, der keine grössere Wichtigkeit beansprucht, als er für andere gewöhnliche Sterbliche besitzt: der Heroismus parodirt sich selbst, indem er nur da zu sein scheint, um sich in angemessener Form standesmässig zu verehelichen. In der Bande von Zimmerleuten, Schreinern, Webern, Schneidern, Bälgenflickern und Kesselflickern ist, im Gegensatz zu jener hohen, die niedrigste Region des Lebens in der vollen Prosa der Alltäglichkeit dargestellt. Aber auch diese, statt auf ihrem Grund und Boden, auf dem sie ihre volle Berechtigung, ja sogar Zusammenhang mit der Poesie hat, zu bleiben, schraubt sich hinauf in das Gebiet der tragischen Muse, will nicht nur poetisch erscheinen, sondern Poesie machen, und zeigt damit nicht bloss sich selbst in höchst lächerlicher Gestalt, parodirt nicht nur sich, sondern zugleich auch die hohe, tragische und heroische Sphäre. Zwischen diesen beiden Extremen stehen die der mittleren Schicht der menschlichen Ordnung angehörigen Liebespaare in der Mitte. Statt aber ihrer Stellung gemäss danach zu trachten, nun auch das Leben selbst in seinem inneren Mittelpunkte zu erfassen, verlieren sie sich in das phantastische Spiel einer eigensinnigen Liebe und parodiren damit ebenfalls sich selbst und ihre Lebenslage. Durch die Fürsten der Elfen endlich und deren Eingreifen in die Action erscheint jene höhere Macht repräsentirt, welche das Leben der Menschen an unsichtbaren Fäden leitet. Aber auch sie ist nicht gefasst in ihrer wahren Grösse, in ihrer schwer wiegenden Bedeutung und stillen, geheimnissvollen Wirksamkeit, sondern, gleichfalls ergriffen von dem allgemeinen Strudel des Humors, tritt sie in handgreiflichen körperlichen Gestalten hervor und zeigt sich nur als das muntere, neckende Spiel personificirter Naturkräfte, d. h. parodirt sich ebenfalls selbst, sofern sie gleichermaassen der Willkür des Zufalls und ihrer eigenen Launenhaftigkeit unterworfen erscheint, wie dies in der Liebe Titania's zu dem eselsköpfigen Zettel klar hervortritt."

Dem gebildeten Darsteller wird hieraus klar werden, dass es, wie Ulrici weiter sagt: „auf eine bloss komische Darstellung der Liebe nicht abgesehen, dass sie nicht das eigentliche Thema der

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