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nach Silakka, wo wir die Höhle besahen, und gingen dann hinunter nach dem Hafen Nausa, dftlich unter Silakka, wohin wir unser Kaïk beschieden hatten. Heute früh sind wir von dort hierher gesegelt; doch diese Fahrt will ich Ihnen in meinem nåchsten Briefe erzählen. Jegt gilt es erst, Seriphos nåher kennen zu lernen.

Zwölfter Brief.

Seriphos.

Siphnos.

- Επεφνέν τε Γοργόνα, καὶ ποικίλον κάρα Δρακόντων φόβαισιν ήλυθε νασιώταις

Λίθινον θάνατον φέρων.

Pindar. Pyth.

Stavri auf Siphnos, den 27 (15) August 1837.

Die Schnelligkeit unserer Reise überflügelt die Fortführung meines Tagebuchs. Da sind wir schon auf Siphnos, noch ehe ich Ihnen von Seriphos habe berichten können. Ich nehme daher den Faden wieder auf, wo ich ihn gelassen: im Hafen von Nausa auf Kythnos.

Wir segelten also am 20 (8) August kurz vor Tagesanbruch von Kythnos ab. Der Wind war mehr als frisch, ein heftiger Boreas, wie er in dieser Jahreszeit im ågåischen Meere zu herrschen pflegt; und nur mit einem kleinen Segel an der Spike des Mastes glitt unser Schiffchen schnell über die Wellenberge dahin, an den wiften Slippen piperi unb Seriphopula (ή Σεριφοπούλα) vorüber. Auf der lettern, sagten uns die Mönche im Kloster des Tariarchen auf Seriphos, die im Winter ihr Vieh hier weiden, finden sich die Ruinen eines hellenischen Thurms und eine Cisterne, aber keine Spuren anderer Gebäude. Nach einer Fahrt von drei Stunden umschifften wir das südöstliche Vorgebirge von Seri phos, und kreuzten nur mit Mühe gegen den Wind in den Hafen hinein.

Am Hafen stehen nur einige Magazine und ein paar Capellen, die Stadt aber liegt eine starke halbe Stunde von dort auf der Spize eines schroffen Granitfelsens. Der Weg führt anfangs, am innersten Winkel des Hafens, über eine kleine, halb versumpfte Wiese, die einzige Fläche dieser Art, welche das felsige Eiland darbietet. Hier war also das classische Vaterland jener im Alter= thum berühmten Frösche, von denen man glaubte, daß sie, gegen die Art ihrer vorlauten Geschlechtsverwandten, ein ewiges Schweigen beobachteten.1) Auch für uns blieben sie stumm. Jenseits dieser Wiese klimmt der Pfad jene Granitklippe hinan, wo in einer hihe von etwa 800 Fuß über dem Meere die elenden Häuser der Stadt wie Schwalbennester an dem spißigen, mit einer Art von festem Schloß gekrönten Gipfel des Felsens kleben. Die meisten Gassen, wenn man ihnen diesen Namen gönnen will, sind so eng, daß ein beladenes Saumthier nicht durchkommen kann, und so steil, als wåren sie für Gemsen oder Ziegen angelegt. Aber den Plaz dieser edlern Thiere nimmt ein schmutziges Geschlecht zahlloser Schweine ein, die mit erstaunlichem Geschick die Felsen auf- und abspringen, und mit einem wenig ekeln Geschmacke die Reinlichkeitspolizei handhaben, indem sie alles, was auf die Straßen geworfen wird, in wenig Augenblicken verschlingen. Die Schicklichkeit erlaubt nicht dieß Bild weiter auszuführen, aber bei uns stand der Entschluß bald fest, auf Seriphos kein Schweinefleisch zu kosten.

Diese Stadt, in der wir bald ein erträgliches Unterkommen fanden, ist, wenn man einige zerstreute Häuser ausnimmt, der einzige bewohnte Ort auf Seriphos, und zählt gegenwärtig über 2000 Einwohner.) Sie liegt auf der Stelle der alten Stadt, die sich zwar noch weiter den Berg hinabzog, von der aber nur unbedeutende Ueberreste, zerstreute Quadern und Säulentrümmer, und einige sehr beschädigte Torsos von Statuen, von schlechter Arbeit, zu sehen sind. Das Hauptproduct der Insel ist Wein, gegen 7000 Barils; der größere Theil der Trauben wird jedoch,

1) Plinius N. G. 9, 58. Suidas u. d. W. Báτqayos x Zɛgiqov. 2) Der Graf Pasch van Krienen, descrizione del Arcipelago, p. 103, gibt 1772 nur 900 Seelen an. Aber die Bevölkerung sämmtlicher Inseln ist im Zunehmen.

da die meisten Weinfelder sehr hoch auf dem Rücken der Berge liegen, wo sie erst spåt zur Reife kommen, frisch nach Syros und vorzüglich nach Athen ausgeführt. Dagegen bedarf man einer Einfuhr von Gerste (denn Weizenbrod ist hier ein Lurus), in guten Jahren bis zu 4000, in schlechten bis zu 10,000 Kilos; also für 10 bis 25,000 Drachmen.

Am folgenden Morgen brachen wir zeitig auf und ritten auf einem entsetzlichen Pfade, den man nur auf dem Rücken eines griechischen Maulthiers zu betreten wagen darf, in westlicher Richtung an dem Abhange des höchsten Berges der Insel hin. In einer halben Stunde war sein flacher, gegen Südwesten sich senkender Rücken erreicht, wo an einer Stelle inmitten der Weinberge große Massen von Magneteisenstein zu Tage ausgehen. An der Oberfläche zeigt er wenig Anziehungskraft; wenn man aber ein Stück zerschlägt, hången sich die kleinern Splitter sogleich an die größern Massen an, und in größerer Tiefe wird seine Anziehungskraft auch größer.

Von hier ritten wir auf das südwestliche, ziemlich weit in die See vortretende Vorgebirge der Insel, von den Einwohnern das untere Vorgebirge (rò xáτw дxowrńgiov) genannt. Es hat auf seiner Ostseite einen guten Hafen, mit der italienischen Benennung Porto Catena, weil nach einer nicht unwahrscheinlichen Tradition sein Eingang im Alterthum mit Ketten gesperrt werden konnte. Hier suchen bei stürmischem Wetter kleinere Schiffe mitunter eine Zuflucht. Nordwestlich über dem Hafen liegt, auf dem hohen Rücken des Vorgebirges, der sogenannte weiße Thurm (o done̟ónvoyos) die Ruine eines hellenischen, etwa dreißig Fuß im Durchmesser haltenden runden Wartthurms aus Quadern von weißem Marmor. Zehn Minuten südlich von dem Thurme tritt der Eisenstein wieder in großen Massen zu Tage aus, und hier sind eine Menge alter Stollen in oder vielmehr durch den Berg getrieben. Da wir uns mit Kerzen versehen hatten, stiegen wir in einen derselben hinunter, und kamen ohne Mühe oder Ge fahr durch eine andere Oeffnung, etwa zweihundert Schritte von der ersten, wieder heraus. Doch blieb es uns zweifelhaft, ob die Alten hier eigentlich auf Eisen, und nicht vielmehr auf eine den Eisenstein durchziehende Kupferader gebaut håtten, da sie das sehr reichhaltige Eisenerz ja nur an der Oberfläche håtten`wegnehmen

können, und dazu keiner Stollen bedurften. Wenigstens fanden wir auf einem westlichern Arme des Vorgebirges, wo ebenfalls viele alte Gruben sind, Spuren von Kupfererz, und auch die Schlacken haben såmmtlich einen grünlichen Anflug. Diese lettern liegen in großen Massen auf einem andern Vorgebirge, westlich von dem weißen Thurme, das daher der Schlackenberg (orwpiais) genannt wird. Es ist einleuchtend, daß alles Erz aus dem Bergwerksdistricte auf diesen Punkt zusammengebracht wurde, um hier verschmolzen zu werden. Da man nun einen Grund hiefür suchen muß, so sind die Seriphier auf die Erklärung verfallen: die Alten hätten dieß gethan, um den auf dem Schlackenberge fast unablässig wehenden Nordwind zum Treiben von Mühlen zu benügen, in denen sie das Erz zermalmten, ehe es in die Oefen kam. Diese Vermuthung ist vielleicht nicht so ungereimt, als sie auf den ersten Blick scheinen möchte. Wasserkräfte standen auf der dürren Insel nicht zur Verfügung, der Nordwind aber ist im ågåischen Meere nicht nur im Allgemeinen der herrschende, sondern es gibt Punkte, die ihn nach ihrer drtlichen Lage fast das ganze Jahr haben. So haben wir auf Siphnos vor der Stadt Windmühlen gesehen, die gegen Norden angelegt sind, und gar nicht gedreht werden können, weil man findet, daß eine solche Vorkehrung wegen der wenigen Tage, wo der Boreas ausbleibt, der Kosten nicht werth ist. Südlich von dem Schlackenberge zeigte man uns noch die sogenannten déqua, eine warme Quelle im Eisenstein, nur wenige Fuß über dem Meeresspiegel, welche Heilkråfte besizen soll. Allein die vom Nordwind aufgewühlten Wellen schlugen so ungestüm hinein, daß wir uns weder von dem Wärmegrad des Wassers überzeugen, noch seinen Geschmack kosten konnten. Von dem Schlackenberge kehrten wir, auf einer ziemlich reichen Bleiader fortreitend, an dem Magnetfelsen vorüber, nach der Stadt zurück. Am folgenden Tage machten wir noch einen Ausflug nach dem Kloster des Lariarchen oder des Erzengels, auf der Nordspige der Insel, in dessen Nähe gleichfalls einige alte Stollen sind, die aber an Interesse denen am untern Vorgebirge nicht gleichkommen.

Von diesen einst blühenden Bergwerken auf Seriphos findet sich auch nicht die leiseste Erwähnung in den Alten, während sie das Anekdötchen von den stummen Fröschen uns wetteifernd auf

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bewahrt haben. Nur zu oft ist dieß der Gang der Geschichte. Ueberhaupt ist Seriphos von den alten Schriftstellern mit stiefmütterlicher Unbilligkeit behandelt worden; es wird fast nur zum Spott und Hohn erwähnt. Die Mythologie hat zuerst den Ton angeschlagen, durch die Dichtung, daß Perseus die Bewohner der Insel durch Vorzeigung des Hauptes der Medusa in Steine verwandelt habe, was die Komiker spottend so auslegten, als habe er die ganze Insel versteinert. 3) In derselben Weise fuhren die Spåtern fort. Nur der wahrheitsliebende Herodot weiß zu rühmen, daß die Seriphier mit wenigen andern Insulanern allein den Barbaren sich nicht unterwarfen, sondern bei Salamis für die Freiheit mitzukämpfen wagten.) Aber alle andern, von Platon und Aris stophanes bis zu Cicero und Plutarch herunter, wissen nur von der Armuth und Noth der Insel und von der Verachtung, mit der man ihren Einwohnern begegnere, zu erzählen;5) und die lehte Erwähnung von Seriphos in der alten Geschichte geschieht nur, um es als einen der traurigsten Verbannungsorte unter den römischen Kaisern zu bezeichnen.) Vielleicht läßt sich aus dieser Verschollenheit des Låndchens und aus dem Schweigen der Schriftsteller über seinen Metallreichthum der Schluß ziehen, daß seine eigentliche Blüthenzeit und die Periode der Ergiebigkeit seiner Bergwerke noch vor die Perserkriege fållt, etwa gleichzeitig mit der Blüthe von Siphnos, und daß Seriphos in der geschichtlichen Zeit wirklich schon ein erschöpftes und nur auf den Ertrag seiner årmlichen Aecker angewiesenes Ländchen war.

Da auch wir alles Interessante, was Seriphos uns darbieten konnte, in drei Tagen vollkommen erschöpft hatten, so segelten wir am 23 August nach Siphnos ab, und erreichten, weil der hohe Wellenschlag uns an dem schlechten Ankerplate unterhalb der Stadt, auf der Ostseite der Insel, nicht zu landen gestattete, erst gegen Abend den geräumigen und sichern Hafen Pharos an der

3) Apollod. 2, 4, 3. Strabon 10, S. 391 Tchn.

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5, 242. Pind. Pyth. 10, 72. 12, 18.

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4) Herodot. 8, 46, 48.

5) Aristoph. Acharn. 542.

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Platon, vom Staate, 1, S. 329. Cicero

über die Götter 1, 31; vom Alter, 3. Plutarch, vom Eril, 7. 6) Tacit. Annal. 2, 85, 4, 21, Juvenal, Sat, 10, 168.

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