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entartete Mönche der strengen Zucht eines begeisterten Reformators bedurften. Ungern fügte sich der h. Christodulos dem Wunsche seines Herrn, und übernahm dieß Geschäft; aber da er bald sah, daß er dort mit seinen Reformen nicht durchzudringen vermochte, lag er dem Kaiser aufs Neue an, ihm Patmos abzutreten, und wurde endlich erhört. Auf sein dringendes Verlangen und trog den wiederholten Gegenvorstellungen des weltkundigen Kaisers wurde in die Schenkungsurkunde die ausdrückliche Clausel aufgenommen: „daß keine verheirathete Männer mit ihren Frauen, keine Kinder, bartlose Jünglinge und Eunuchen auf Patmos sollten wohnen dürfen;" damit, wie sich der Heilige ausdrückt, von vorne herein jede Gelegenheit zu satanischer Versuchung abgeschnitten werde. Aber als er nun mit seinen Mönchen nach Patmos kam, klagten diese bald über die Beschwerlichkeiten des unwirthbaren Eilandes, und sehnten sich nach Kos zurück. Der größere Theil verließ den Heiligen wirklich, nur eine kleine Zahl harrte bei ihm aus. Mit diesen begann er den Bau des festen Klosters: wie die Legende will und wie eine Inschrift bezeugt, 22) an der Stelle eines Heiligthums der Artemis, deren Statue er zerschlagen haben soll. Allein schon nach kurzer Zeit, wie der Heilige mit großer Naivität selbst eingesteht, mußte er sich überzeugen (was ihm der Kaiser schon vorhergesagt hatte), daß es unausführbar sey, keine Weiber in der Insel zu dulden, weil die Werkmeister und andere weltlichen Dienstleute nicht bei ihm bleiben wollten; und er erwirkte daher von Alerios Komnenos eine neue Bulle, durch welche einigen Familien gestattet wurde, sich hier anzusiedeln. Nur verbannte er sie an die äußerste Nordspige des Eilandes, jenseit der Vorgebirge Vaïon (Báïov) und h. Nikolaos. Diese Gränzlinie sollte einerseits kein Weib oder Kind, andererseits aber auch kein Mönch überschreiten, außer dem Dekonomos des Klosters, und auch dieser nur in Begleitung zweier Klosterbrüder. Wie genau im Laufe der Zeit diese Bestimmung eingehalten worden, fönnen Sie aus dem oben Gesagten entnehmen, indem das

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12) Inscr. Gr. Ined. II, n. 190. Die Legende des h. Christodulos (in vulgarem Griechifd) fagt bierüber: Πρῶτον ἐσύντριψεν ἕνα εἴδωλον όπου είχασι ἐκεῖ μὲ τέχνην πολλὴν εἰς τὸ ὄνομα τῆς Ἀρτέμιδος.

Kloster jezt ringsum von der Stadt der hübschen Strumpfstrickerinnen eingeschlossen ist. Der Schluß des Testamentes des Heiligen enthält Vorschriften über die Klosterzucht. Es ist datirt vom Jahre 1096. Nach der Legende sah sich Christodulos noch vor seinem Ende genöthigt, wegen der überhandnehmenden Seeräubereien der Saracenen mit seinen Mönchen nach Euböa zu entfliehen, wo im Jahre 1111 sein Tod erfolgte. Sein Leichnam, der bald Wunder zu wirken anfing, wurde von den zurückkehrenden Mönchen nach Patmos mitgenommen, und wird in einem hölzernen Sarge in einer Art von Schreine rechts am Eingange in die Kirche aufbewahrt.

Da wir uns nunmehr hinlänglich überzeugt hatten, daß in der Bibliothek nichts Neues von Wichtigkeit aufzufinden ist, und es unsern beiderseitigen Studien zu ferne lag, uns einige Wochen lang mit dem Abschreiben der Chrysobullen zu beschäftigen, so nahmen wir heute von dem Abte und seinem Kloster, so wie von unsern Bekannten in der Stadt Abschied; und nachdem ich in der Schule der Apokalypse noch die Abschrift einer dort eingemauerten Inschrift vervollständigt, die sich auf eine Genossenschaft von Lampadisten bezieht, ") schlug ich den Weg nach den Ruinen der alten Patmos ein. Sie liegen, wie ich schon oben erwähnt, auf dem steilen Berge zwischen den drei Haupthäfen der Insel. Am südlichen Fuße der Höhe und westlich von dem heutigen Hafen, ist ein kleiner in dieser Jahreszeit trockener Salzsee (haxxos), der nur durch einen Steindamm vom Meere getrennt wird, und augenscheinlich, wie die sogenannte Limne bei Mandrakin auf Nisyros, ein künstliches altes Bassin zur fichern Aufnahme der Schiffe ist. Auf dem Gipfel des Berges, dem sogenannten Kastelli, fand ich an der Südwestseite noch ansehnliche Refte der Mauer der alten Akropolis aus theils be hauenen, theils unbehauenen Quadern von schwarzem Trachyt. ") Zahllose Scherben von Vasen bedecken den öftlichen Abhang der Höhe, wo die eigentliche Stadt gelegen. Auf diese geringen Spuren, und auf die beiden bereits erwähnten Inschriften,

13) Inscr. Gr. Ined. II, n. 189.

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14) Ueber diese Akropolis findet sich ein kleiner Aufsaß in Walpoles Memoirs on Turkey.

beschränkt sich Alles, was von der alten Patmos noch übrig ge= blieben ist. Auch hat die Insel keine Geschichte im Alterthume; kaum daß ihr Name einige Mat bei Geographen und Historikern erwähnt wird. Vielleicht war sie, wie ich es von Leros wahrscheinlich gemacht habe, ursprünglich von Doriern besegt worden, 15) und gehörte in diesem Falle mit den andern,, kalydnischen Inseln" zu dem Reiche der Heraklyden auf Kos; als nach dem Verfall desselben Leros und Ikaros milesische Ansiedler erhielten, “) wurde vermuthlich auch Patmos, zwischen jenen beiden Inseln gelegen, von diesem thätigen und auswanderungsluftigen Völkchen besegt. Mit dieser Annahme stimmt auch der Dialekt der Inschriften überein.

Vierundzwanzigster Brief.

Samos.

Επητι Συλοσῶντος εὐρυχωρίη.

Altes Spottlied.

Samos, den 26 (14) Aug. 1841.

Am 24 August Morgens um sieben Uhr segelten wir aus dem Hafen von Patmos. Zu unserer Rechten unter dem Winde hatten wir Arki und Lipsos nebst den kleineren wüften Inseln, und in langer Reihe Leros, Kalymnos, Hypseremos und Kos, über welche in noch schwach kenntlichen Umrissen die Gipfel des

15) Auch R. Rochette (Hist. de l'établ. des col. Gr. III, 156) bezeichnet Patmos als eine ursprünglich dorische Colonie, jedoch ohne eine Beweisstelle dafür beizubringen. Die mehrerwähnte Inschrift im Kloster, deren Ergänzung freilich zum großen Theile sehr unsicher ist, bezieht sich auf ein Heiligthum der skythischen Artemis und scheint dessen Gründung dem Orestes beizulegen (Agios elver Opéorns), worin sich die Ueberlieferung eines Colonialverhältnisses zu Argos nicht verkennen läßt.

16) Vgl. oben den 23 Brief, Anm. 5.

zerrissenen Vulcans von Nisyros herausragten; im Südosten, schon in der Ferne verschwimmend, den Bergrücken zwischen Myndos und Halikarnassos, gerade vor uns im Osten die hohe zweigipflichte Mykale, und links über dem Winde Ikaria, die korassischen Inseln und die mächtige Samos, auf welche wir zusteuerten.

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Gegen den Nordwind kreuzend fanden wir uns um vier Uhr Nachmittags unter dem weißen Vorgebirge (Cap Colonna) von Samos, welches von der Mitte der Insel ziemlich weit gegen Süden vortritt, und hügelicht und bewaldet ist. Es läuft von dem Hauptgebirge aus, welches, so weit man vom Meere aus es übersehen kann, mit Gipfeln von 2 bis 3000 Fuß Höhe von Nordost gegen Weftsüdwest durch die Insel streift, theils kahl, theils bewaldet; sein legter Gipfel gegen Westen, Ikaros gegenüber, der alte Kerketeus, 1) erhebt sich gar nach der englischen Messung bis zu 4725 Fuß. Einen gemeinsamen Namen scheint diese Bergkette nicht gehabt zu haben; ein Theil derselben hieß Asforon, und der Arm über der Stadt Samos, der gegen Südost in das Vorgebirge Poseidion ausgeht, führte den Namen Ampelos. An einer andern Stelle sagt Strabon freilich, daß die ganze Bergkette so geheißen. ) Erst mit Sonnenuntergang ankerten wir dem Ampelos gegenüber auf der Rhede von Potokaki, wie einige Magazine am Strande heißen, zu unserer Rechten und fast vor uns die Ruinen der alten Samos, deren Lage eine schlagende Aehnlichkeit mit der Lage von Knidos hat; zu unserer Linken die geräumige Ebene, von niedrigen, größtentheils bewachsenen Hügeln eingeschlossen, über denen sich die höheren Berge mächtig erheben. Am südwestlichen Rande der Ebene prangt die einzelne Säule des Heräons, und im nördlichen Winkel derselben, wo sich ein Paß durch die Berge nach der jezigen Hauptstadt Vathy öffnet, liegt das ansehnliche Städtchen Chora ( Xógα).

1) Strab. 10, 392 Σάι.: Ἔνδοξον καὶ τὸ ἐν αὐτῇ ὄρος ὁ Κερκετεύς, μᾶλλον τῆς Αμπέλου αὕτη δ ̓ ὑπέρκειται τῆς Σαμίων πόλεως. Sept Kerki, auch Katäbate; vgl. unten den folgenden Brief, Anm. 1.

*) Steph. in Ασσωρόν ὄρος Σάμου ὅθεν ῥεῖ ὁ ̓Αμφίλυσος.

5) Vgl. Anm. 1. Steph. u. d. W.

Αμπελος

Tys Zaμov. Strabon 14, S. 169. 170 Tchn.

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ἔστι καὶ ἑτέρα ἄκρα

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